Loslassen bedeutet Abschied nehmen, eine Trennung von unserem alten Ich, Menschen, Tieren oder Situationen, die unser (Er-)Leben mitprägen und beeinflussen. Es gibt Momente, in denen wir uns früher oder später bewusst entscheiden jemanden oder etwas loszulassen. Sein es alte, blockierende Glaubenssüberzeugungen, schlechte Gewohnheiten, den Partner, mit dem wir nicht dieselben Werte und Visionen teilen, ein Arbeitsverhältnis, in dem wir uns nicht leben und unsere Stärken einbringen können, gewisse Wünsche, die sich augenblicklich nicht in die Tat umsetzen lassen oder eingenommene Rollen, die unserem wahren Selbst nicht entsprechen. Es gibt aber auch Geschehnisse, die uns ungewollt ins Loslassen versetzen.
Sowohl die bewusst gewählten Entscheidungen als auch eintretende Ereignisse, katapultieren uns aus unserer Komfortzone, bringen uns mit vielerlei unterschiedlicher Gefühle in Berührung, die durchlebt und integriert werden wollen. Jeder geht mit Loslassen anders um, viele tun sich jedoch extrem schwer und hemmen den eigenen Wachstumsprozess. Unser grösster Gegner ist die Angst vor dem Ungewissen, dem persönlichen Scheitern. Anstatt die Veränderung positiv zu sehen, sich selbst, dem Leben zu vertrauen plagen uns Zukunftsszenarien unterschiedlichster Dimensionalität.
Loslassen ist wie kleine Tode sterben und Sterben macht Angst.
Die Natur lebt es uns anders vor. Der Wandel der Jahreszeiten zeigt uns den natürlichen Kreislauf von Werden, Wachsen und Gehen. Tiere kennen keine Angst vor dem Tod, sie leben den Augenblick, wissen, wann ihre Zeit gekommen ist, und geben sich ihr hin.
«Loslassen ist Hingabe | Hingabe ist Leben»
Warum schreibe ich diesen Artikel? Weil Loslassen eine Prüfung und für mich persönlich ein bewegendes Lebensthema ist.
Als ich mich Anfang 20 für mein Architekturstudium in Hamburg entschieden hatte, wurde ich kurz vor Auszug, dem Verlassen meiner Heimat, von einem heftigen Hyperventilationsanfall heimgesucht. Das Loslösen von meiner Family war ein Triggermoment und holte die traumatische Erfahrung meiner Geburt, mit der Nabelschnur um den Hals nach Luft und ums Überleben zu ringen, an die Oberfläche zurück. Noch heute habe ich die gelben Baustellenstreifen vor Augen, die wie ein endloser Faden auf der Autobahnstrecke leuchteten. Es war wie im Geburtskanal einfach nur eng innerhalb dieser Baustelle, stockfinster, ohne die Möglichkeit anzuhalten oder auszubrechen. Ich will hier raus!!! Mein Herz schlug mir bis zum Hals, Schwindel überfiel mich, ich schnappte immer wieder nach Luft, konnte meinen Atem nicht beruhigen und ich hatte nur noch ein Gefühl:
«Hilfe Du stirbst».
Dieser Augenblick hat mich total überwältigt und war Auslöser für eine Panikerkrankung, die mich und meine Lebensqualität bis ins Mark erschütterte. Als Angstpatientin war das Festhalten, sich in sicheren Gefilden aufhalten meine erste Wahl zum Überleben. Anstatt loszulassen, Bewegung als Kanal zu nutzen wurde ich starr und unbeweglich. Ich fühlte mich in meinen Körper nicht mehr wohl, verlor den Kontakt zu mir und meiner Umwelt. Ich gab so viele Aktivitäten auf, Aktivitäten, die ich liebte, die mich Freude spüren und lebendig fühlen liessen.
Mein gesamter Organismus geriet out of control. Meine Gedanken spielten verrückt und drehten sich nur noch um die Angst vor der Angst. Ich konnte nicht mehr weite Strecken mit dem Auto fahren, stieg in kein Flugzeug mehr ein, gab das Snowboarden, generell sportliche Aktivität auf. Irgendwann konnte ich nicht einmal mehr im Supermarkt in der Schlange stehen, weil das Herz so raste, Schwindel mich übermannte und elendige Schweissausbrüche mich plagten. Ich war nicht mehr die powervolle, junge Frau, die als ehemalige Leistungssportlerin Bewegung liebte und vor Kraft nur so strotzte. Weder ich noch mein direktes Umfeld fand Verständnis für diese plötzliche Wesensveränderung und zeigte massiv Mühe. Das war eine wirklich grosse Herausforderung, deshalb, weil ich weder einen sicheren Anker in mir noch innerhalb meiner Familie oder Freunden fand. Ich fühlte mich mit meiner ANGST allein und suchte schliesslich externe Hilfe.
Diese tiefe Erfahrung hat mich enorm geprägt. Doch ohne diese Erfahrung hätte ich mich niemals auf den Weg zu mir gemacht und stünde heute niemals dort, wo ich jetzt bin: "Voller Dankbarkeit immer mehr im Vertrauen in mich und das Leben"
Ich habe mich meinen Schatten gestellt, bin mir, meinen Triggerpoints auf die Pelle gerückt und musste mich auf mehreren Ebenen im Loslassen üben. Dazu gehörte auch die schmerzvolle Auseinandersetzung mit meinem Ego, das sich mit einem schützenden Panzer stark über Leistung, Perfektion und Erfolg definierte.
Lebensverändernde Unterstützung kam, als ich meinem Herzen lauschte und unseren Tieren einen Platz in meinem Leben schenkte. Wie heisst es so schön, Du bekommst nicht das Tier, das Du Dir wünscht, sondern das Tier, das Du brauchst. Hündin Aika und Pflegepferd Solera haben mich weitere Angstkreisläufe durchleben lassen. Beide waren, wie ich bei meiner Geburt, einer Reiz-Stresssituation ausgesetzt. Anstatt starr zu werden haben sie ihre Stressenergie über Kampf verarbeitet. Sprich, sie haben beide Verhaltensauffälligkeiten entwickelt, die ihnen in ihrer Bewältigungsfähigkeit geholfen, mich jedoch in meiner enorm herausgefordert haben. Letztendlich haben sie mich Achtsamkeit PUR und die Wirkmechanismen des Kampf-Fluchtmodus gelehrt, der in der Verarbeitung von Trauma und deren Folgestörungen eine entscheidende Rolle spielt. In Anbindung an die Natur und im Zusammensein und Wirken mit Tieren, habe ich mich komplett neu erfahren, fand Zugang zu meiner wahren Natur und entdeckte meine Passion für positives Tiertraining und natur-tiergestütztes Selfempowerment. Inzwischen verfüge ich über ein tiefes Verständnis und Wissen von nicht verarbeiteten Stress-Reiz-Reaktionen (bei Mensch und Tier) und weiss, wie ich Mensch und Tier bei der Verarbeitung von Angst und Stress wirkungsvoll unterstützen kann.
Einfach genial, wie ich heute den roten Faden in meinem Leben sehen und nachvollziehen kann. All die Aus- und Weiterbildungen sowie Workshops im Bereich Training | Coaching | Recovery bringen mich meinem Herzensziel immer näher.
Mit all meinem Erfahrungswissen reiche ich Menschen und Tieren, die ihr inneres Gleichgewicht verloren, meine Hand und gebe dort aktiv Support, wo er am dringendsten gebraucht wird.
«Im Sturm des Lebens»
Deine Sylvie
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